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Endlich frei

Da stand er nun, ca. 40 Meter über der Stadt. Die dünnen abgemagerten Hände hielten ihn von einem langen, befreienden Sprung ab. So wollte er sein Leben beenden. Gäbe es einen besseren Zeitpunkt als Mitternacht? Zumindest würde niemand da sein, der ihn von seinem Vorhaben abhielt. Wer blickte schon um Mitternacht ein großes Bürogebäude hoch? Und wer es dennoch tut, der wird sicherlich nicht mehr als die dunkle Nacht erkennen.

Noch ein Schritt, dann der befreiende Fall, dann ein kurzer Schmerz und endlich Ruhe.
Aber wie ist es überhaupt soweit gekommen?

Endlich frei - Das Skript

Von Matthias C. Nagel
9. Dezember 2009

 

Da stand er nun, ca. 40m über der Stadt. Die dünnen abgemagerten Hände hielten ihn von einem langen, befreienden Sprung ab. So wollte er sein Leben beenden. Gäbe es einen besseren Zeitpunkt als Mitternacht? Zumindest würde niemand da sein, der ihn von seinem Vorhaben abhielt. Wer blickt schon um Mitternacht ein großes Bürogebäude hoch? Und wer es dennoch tut, der wird sicherlich nicht mehr als die dunkle Nacht erkennen.

Noch ein Schritt, dann der befreiende Fall, dann ein kurzer Schmerz und endlich Ruhe.

Aber wie ist es überhaupt soweit gekommen?

 

Vor einem Jahr hätte er sich niemals so hoch hinaus getraut. Was war schief gegangen.

Naja, er hatte Liebeskummer, aber das haben viele Menschen auf der ganzen Welt. Das wäre ein schlechter Grund sich einfach das Leben zu nehmen.

Oder zumindest ein sehr dummer. Er überlegte weiter, seine Hände wurden schon langsam feucht und er musste nach greifen, um nicht vorzeitig zu springe. Oder ist es eher ein Fallen, ein Stürzen?

Fragen wie diese, unsinnige Fragen, quälten ihn dauernd. Sei es beim Autofahren – was würde wohl passieren wenn man einfach mal die Tür aufmacht – oder  beim Einkaufen, ein merkwürdiges Wort „Wurst“.

Dauernd diese inneren Selbstgespräche oder Unterhaltungen, die er führte, um sicherzugehen, nicht bei irgendeinem Gespräch überrascht zu werden. Dann wieder diese sinnlosen Fragen: Ist das normal oder bin ich geisteskrank?

Letzteres scheint wohl am ehesten zuzutreffen; zumindest wurde ihm immer wieder gesagt, er sei nicht normal.

Ist das vielleicht ein Grund, warum er hier oben stand, die Nachtluft durch die Haare fühlend, kurz vorm befreienden Tot?

Möglich war es schon, aber war er denn wirklich nicht normal?

Er mochte Technik, für einen Mittzwanziger ein durchaus normales Interesse. Naja, er redete mit seiner Technik. Vielleicht doch nicht so normal. Aber reden nicht auch Frauen mit ihren Pflanzen oder redeten Kinder nicht mit ihren Plüschtieren? Wer legt überhaupt fest das man mit Dingen, die einem am Herzen liegen, nicht auch im Erwachsenenalter reden darf wie ein Kind, das mit seinem Teddybär redet. Also vielleicht doch nicht so abnormal.

Aber trotzdem nannten ihn die Leute, die er traf, Freak.

Was macht eigentlich einen Freak aus?

Irgendwas musste es ja sein, denn viele erkannten schon an seinem Verhalten, dass er ein Freak war.

Lag es vielleicht an seiner Brille die er trug? Konnte nicht sein, da viele Brillenträger sich ebenfalls als normal bezeichneten und ihn als Freak bloßstellten. Es musste also was in seinem Verhalten sein. Wie war sein Verhalten?

 

Er überlegte. Dann ein helles Licht, jemand rief etwas. Irgendwas blaues leuchtete unter ihm.

 

Wie mag er wohl mit seinem Verhalten auf andere wirken? War es wirklich so freaky? War es wirklich auch immer das gleiche verhalten? Manchmal, wenn es ihm schlecht ging, war er sehr in sich gekehrt; nachdenklich möchte man fast sagen. Das mag durchaus für jemanden, der dauernd auf Party und Unterhaltung aus ist, ungewöhnlich wirken, aber so war er doch nicht immer. Zwischendurch, wenn er etwas trank oder einfach nur gut drauf war, konnte man ihn von diesen Personen nicht unterscheiden. Dennoch wurde er als Freak bezeichnet. Lag es vielleicht nur in den Augen des Betrachters? Würde er in diesem Zustand ebenfalls von den Partygirls als Freak bezeichnet werden?

 

Wieder dieser Lichtschein.

 

Aber vielleicht war es genau das, was ihn zum Freak machte. Er zeigte anscheinend genau den falschen Personen das falsche Verhalten. Warum war er der Partykönig, wenn er mit „Langweilern“ aus war und warum war er der Langweiler wenn er auf Partys eingeladen war?

Ein Problem, das zu lösen wäre, wenn es das einzige Problem wäre.

 

Er war alleine. Das war der Grund für seinen Entschluss, sich von seinem körperlichen zu befreien.

Alleine. Er kannte viele Personen. Einige von ihnen nannten ihn Freund, besten Freund, und dennoch war er alleine. Sein Telefonbuch war voll mit Nummern, dennoch war er alleine. Er war täglich mit Personen zusammen und dennoch war er alleine. Er bekam Besuch von seinen Freunden und trotzdem war er alleine.

Eigentlich seltsam, wie kann man so alleine sein? Er dachte nach. Er konnte zwar Spaß mit seinen  Freunden haben, aber wirklich erfüllend war es nicht. Es war ein ein kurzes Hochgefühl, dann die bittere Erkenntnis, die nächsten Stunden oder gar Tage wieder alleine zu sein. War es denn so schlimm, die Tage zwischen den Freuden alleine zu sein? Brauchte man nicht die Zeit um sich von den Hochgefühlen zu beruhigen, neue Kraft zu schöpfen? Vielleicht. Aber warum fühlte er sich in dieser Zeit nicht erholt, warum fühlte er sich alleine?

Er konnte niemandem erzählen, was er tolles erlebt hatte. Das mochte das Problem sein. Aber warum konnte er es nicht? Er hatte doch so viele Freunde.

Waren sie wirklich seine Freunde? Was dachten sie über ihn? Schon wieder diese Fragen.

 

Es fing an zu regnen. Die Tropfen glitten von seiner Stirn auf seine Wangen.

Seine Haare, oder zumindest die, die davon noch seine Haare ausmachten, wurden nass und schmiegten sich an seine Haut.

 

Freunde. was machten Freunde aus? Fragen über Fragen und diese zu beantworten, fiel ihm schwer.

Dann der Gedanke an seine Familie. Was würden sie sagen? würden sie trauern, würde es sie überhaupt interessieren?

Seine Eltern würden wahrscheinlich im ersten Moment  trauern, dann aber denken, dass es typisch für ihn sei, vor allem wegzulaufen. Hatten sie ihm das doch gerade vor nicht ganz 2 Stunden gesagt, als er sagte, er würde aus der Stadt ziehen.

Geschwister hatte er nicht und dennoch glaubte er, hätte er sie gehabt, würden es auch nichts ändern.

Endlich frei sein.

Seine Hände öffneten sich. Er neigte sich nach vorne, die Schwerkraft tat ihr Übriges, er fiel.

 

Endlich frei.

 

Der Wind streifte ihm durch sein verbleibendes Haar, seine nassen Kleidungstücke spendeten ihm ein kühles Gefühl.

Er öffnete die Augen.

Ein großes Schwarzes Kreuz kam schnell auf ihn zu.

Orange dachte er noch. Wieso ist die Straße Orange?

 

Dann wurde es schwarz vor seinen Augen.

 

Er öffnete die Augen wieder.

Weiß. Bin ich tot? Ist das der Himmel? Diese Stimmen.

 

Endlich frei.

Alternatives Ende von Bex

[...]die Schwerkraft tat ihr Übriges, er fiel.

Der Wind peitschte ihm ins Gesicht, während er immer schneller durch die Dunkelheit fiel.

Er sah nur noch, wie ein großes schwarzes Kreuz auf ihn zukam und eine Stimme in seinem Kopf fragte sich, warum die Straße plötzlich orange sei. Dann wurde es schwarz vor seinen Augen.

Als er sie wieder öffnete, wurde er von einem grellen Weiß geblendet. Wo war er? Tot? Im Himmel? Wieder Fragen in seinem Kopf. Dann hörte er Stimmen und unwillkürlich sagte ihm etwas, dass er endlich frei war.

Endlich frei.


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